Wenn einem Kinderaugen in die Seele schauen
Steffen steht bereits vor dem Bus, wartend mit einer Umarmung und einem ansteckenden Lächeln für jeden. Wir fahren los und in der Morgendämmerung sieht man gut die einzelnen Sparlampen, die, wie kleine Sterne, ohne Lampenschirm in den einfachen Holzhütten hängen. Nach einem kurzen Frühstücksstopp geht es weiter in die Berge von Điện Biên Phủ.
Als wir eine kurze Pinkelpause machen, sehe ich Ly, wie sie die mitgebrachten Kinderkleider an einen Mann mit zwei Kindern verteilt. Ich gehe zu ihr und wir suchen gemeinsam nach passenden Grössen, während sich immer mehr Dorfbewohner um uns versammeln. Ich bin mitten drin, unsere Gruppe kommt dazu, steht und sitzt an der Seite und lässt uns machen. Sie wissen, wie wichtiger dieser Moment für mich ist. Im Hintergrund schreit ein Kind, nur mit einem dreckigen Hemd bekleidet. Unwissend, ob wir ihm Angst machen oder ob es Hunger hat. Ich versteck mein Gesicht hinter der Kamera während eine Mutter die gestreifte Mütze meines Sohnes ihrem vielleicht halbjährigen Babys anzieht. Grosse Augen, die mich bis auf die Seele angucken. Ohne eine Grenze zu kennen oder diese zu respektieren, ohne einen bösen Gedanken. Nur voller Hoffnung und Liebe. Mir rasen Bilder meiner Kinder durch den Kopf, während ich weiter auf den Auslöser drücke. Ich versuche mich auf das klicken der Kamera zu konzentrieren um nicht im Gefühlschaos unter zu gehen. Ly streichelt mir über die Schulter, ihr Blick ist der einer liebenden Mutter.
Liebes Vietnam, die Gefühle welche hier Blitzartig auf einen einschlagen, verlangen einen täglichen Reset, um am nächsten Morgen stärker aufzuwachen. Du wirfst einen aus der Bahn, wenn man nicht damit rechnet, reichst aber immer wieder die Hand, damit man weitergehen kann. Es tut weh, macht aber noch mehr Spass. Liebes Vietnam, bitte mach weiter so.
Text und Fotos: Jojo Schulmeister | Fotografie