Vom Heraufbeschwören eines Abenteuers
Als ich Am Vorabend Steffen fragte, warum wir weniger Abenteuer erleben als andere Gruppen, die gemeinsam mit ihm Vietnam bereist hatten, hätte ich daran denken sollen, dass man vorsichtig sein soll mit dem, was man sich wünscht.
Nachdem das Konzert der Frösche die meisten von uns durch die Nacht begleitet hatte, begann der Morgen in Hoang Su Pi so, wie der Abend zuvor geendet hatte: musikalisch. So hatten wir die Gelegenheit, der Sonne bei ihrem malerischen Aufgang hinter den nebelverhangenen Bergen direkt von unseren Terrassen aus zuzusehen. Wie in den Tagen zuvor empfand ich große Dankbarkeit, in Vietnam dabei sein zu dürfen und mit vielen unvergesslichen, nicht allzu abenteuerlichen Erlebnissen wieder nach Hause zu reisen.
Die Sonne sollte uns auch den Rest des Tages begleiten und nach einem gemeinsamen Frühstück stand für diesen Tag eine kleine Wanderung auf dem Programm. Unser Guide führte uns vorbei an kleinen Höfen mit Handwerk, Mini-Schweinen und Wasserbüffeln. Aber vor allem die Reisterrassen hatten es mir angetan: in Harmonie mit der Natur und vor dem beeindruckendem Panorama der nordvietnamesischen Berge. Ich wurde nicht müde, die einzigartige Landschaft zu fotografieren und überlegte, dass es kaum ausreichend Fotos geben kann um die schöne Stimmung einzufangen. Vielleicht hatte ich ein wenig zu lange darüber nachgedacht, denn mit einem Mal machte sich ein drängender Kopfschmerz bemerkbar. Aber zum Glück erreichten wir nach knapp drei Stunden unseren Zwischenstopp.
Ly und Heiko hatte nur verraten, dass wir dort unser Mittagessen bekommen würden. Die Überraschung und Freude war bei uns allen groß, denn wir hatten die Gelegenheit, die Gastfreundschaft einer vietnamesischen Familie zu genießen. Bei unserer Ankunft wurde gerade das Essen vorbereitet: ein Huhn garte vor sich hin, die Brühe und der Reis köchelten über dem offenen Feuer und alle Familienmitglieder liefen emsig hin und her. Das schönste daran war jedoch, dass wir einen echten Einblick in das Familienleben bekamen. Die unglaubliche Freundlichkeit und Offenheit der Menschen haben mich nachhaltig beeindruckt und der starke Zusammenhalt zeigt sich in ihrer Lebensweise: mehrere Generationen teilen sich einen Raum, es wird gemeinsam gearbeitet, geschlafen, gegessen und getrunken.
So teilten wir uns nun auch das Essen und Trinken. Bisher hatte mich noch kein Essen in Vietnam enttäuscht und dieses Mal war es nicht anders: Selten hatte ich etwas Leckeres gegessen, so ursprünglich, frisch und rein. Rein war auch das Wunderwasser, das uns zum wunderbaren Essen gereicht wurde. Die Stimmung stieg sowohl bei uns als auch bei unseren Gastgebern und da man auf einem Bein schlecht stehen kann, wurde ordentlich nachgeschenkt, denn mit zwei, drei oder sechs Beinen steht es sich stabiler. Dem stimmte auch Doktor Besoffsky zu.
Doch auch die schönste Party hatte ein Ende und so rafften wir uns auf, um den Rückweg in die Hoang Su Phi Lodge anzutreten. Alle waren guter Stimmung, doch nach einigen Minuten meldeten sich die Kopfschmerzen eindringlich bei mir zurück. Vielleicht lag es doch nicht am vielen Nachdenken über die Reisfelder sondern eher an der Sonne, der Höhe und der hohen Luftfeuchtigkeit, dass mein Körper mir zeigte: so würde ich unser Ziel nicht erreichen (vom Wunderwasser hatte ich mich in weiser Voraussicht ferngehalten). Nach Rücksprache mit Heiko beschlossen wir, dass ich versuchen würde, den Weg ganz langsam und mit vielen Pausen zurück zu legen. So nahm er mich im wahrsten Sinne des Wortes an die Hand und brachte mich mit viel Geduld und vielen Geschichten nach Hause. Nach und nach ging es mir besser, ich war dann aber doch sehr froh, als wir an unserer Lodge ankamen und ich mich nach dem herbeigesehnten Abenteuer ausruhen konnte.
Jeannine Witt-Jentsch
P.S. Vielen Dank an Heiko und Ly. Ihr seid die besten Guides, die man sich wünschen kann.