Ein Markt für alle Sinne
Früh klingelt der Wecker, die Nacht war kurz, die Eindrücke des Nachtmarkts sind noch sehr präsent und haben mich bis in meine Träume verfolgt. Ich gehe noch vor 6:00 Uhr aus dem Hotel, es ist noch dunkel und mein Weg führt mich in Richtung Markt, die Straße hinab, grobe Richtung Fluss. Hier oben in den Bergen, im äußersten Norden von Vietnam ist es recht kühl, die Luft ist feucht und der Nebel hängt schwer über der Stadt.
Geschäftiges Treiben herrscht auf der Straße, die Marktstände werden präpariert, hunderte von Mofas und Motorrädern schaffen die Waren aus den umliegenden Bergdörfern heran. Wurzeln, Gemüse, Obst, Fleisch, Fisch, Tiere, die ganze Bandbreite soll hier den Besitzer wechseln. Die Frauen mit ihren kunterbunten Kostümen stechen wie kleine Schmetterlinge aus der Szenerie heraus. Fremde Düfte mischen sich, hier riecht es nach Gewürzen, einen Schritt weiter werden die Hufe eines Wasserbüffels abgeflämmt, an der nächsten Ecke kocht eine Suppe aus Innereien auf dem offenen Feuer. Es wird gelacht, diskutiert, verkauft.
Hinter mir wird lautstark gehupt, weil ich dem nächsten Mofa im Weg stehe. Aber ich bin kein Fremdkörper hier, ich lasse mich treiben, schwimme mit der Masse, schaue in viele freundliche Gesichter. Immer mal wieder werde ich gefragt, ob sie auch von mir ein Foto machen können – „Natürlich gern“, gleiches Recht für alle. Ich selbst fotografiere viel, habe Probleme mich zu fokussieren, so viel zu entdecken, Formen, Farben, Gerüche, die totale Reizüberflutung.
Eine kleine ältere Frau spricht mich an, ob ich einen Kaffee möchte, ich überlege nicht lange und schaue ihr bei der Zubereitung zu. Sie hat so freundliche Augen und gibt mit zu verstehen, dass der Kaffee gleich kommt. Kurze Zeit später stehen diese wunderbaren frischen Maracuja vor mir, dazu Erdnüsse und gesüßte Kondensmilch. Sie erklärt mir, wie ich die drei Geschmäcker zusammenführe, oh wow, was für eine Kombination! Ich habe einen kleinen Anker für mich gefunden. Sie ist glücklich und bereitet den Kaffee weiter zu, stellt mir ihren Sohn vor, zwei Kinder hat sie, und strahlt wieder. Ihre Hände sind rau von der harten Arbeit, das Gesicht zeigt viel Lebenserfahrung. Die Augen funkeln immer noch so schelmisch. Der Kaffee schmeckt einfach großartig. Die kleine Pause hat gut getan um mich ein bisschen zu fokussieren.
Ich gehe weiter, mittlerweile ist es hell geworden. Der Markt ist nun voll. Vorbei an der Ecke wo das Fleisch zerlegt wird, führt mein Weg mich Richtung Fluss, dort werden die lebenden Tiere feil geboten. Dieser Bereich ist nichts für sensible Mägen uns schwache Nerven. Ich schalte meine Emotionen aus und fokussiere mich auf die Reportagefotografie , sonst würde es nicht gehen. Geflügel, Schweine, Hunde werden gehandelt. Die Angstschreie der Schweine gehen mir durch Mark und Bein. Ich sammle viele Fotos, versuche meine „Vergleichsbilder“ rauszuhalten und unvoreingenommen die Momente zu fotografieren. Diese Taktik klappt sehr gut. Als ich wieder zum Hotel gehe, stelle ich fest, dass ich fast drei Stunden unterwegs war. Die Gerüche hängen mir noch schwer in der Nase, aber ich bin sehr dankbar, dass ich diese Eindrücke aufnehmen durfte.