19
Apr
2018
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Reist Du noch oder erlebst Du schon?

PROLOG. Vietnam und das Setting unserer Reise klopfen an meine Grenzen. Permanent. Mal laut, mal leise. Das eine Mal liebevoll, das nächste Mal hart und rauh. Im Klopfen spiegeln sich die Landschaft, die an unserem Tourbus vorbeizieht, die Bedingungen, unter denen die Menschen hier im Norden zwischen Hà Giang, Dồng Văn und Bảo Lạc leben und arbeiten, unsere Begegnungen, die diese Vielfalt atmen. Im Wechselbad aus gegensätzlichen Gefühlen seife ich mich ein, und neben dem Plätschern des Wassers tauchen sie auf: die „Gefühlsantworten“, wie Steffen sie nennt. Antworten, die zumindest ich zu Hause nicht immer deutlich wahrnehme. Antworten, die ich häufig wegdrücke, wenn ich funktionieren und „performen“ soll, wenn ich die Harmonie im Außen über den Frieden in meiner Seele stelle. Aus Angst vor Konflikten, in die ich verstrickt werden könnte, halte ich oft die Klappe. Hier höre ich auf mit dem Aushalten und folge meiner inneren Stimme. 

In Vietnam werden Erkenntnisjuwelen aus Schmerz und Trauer geschliffen, die im nächsten Augenblick in der Freude und Schönheit dieses Landes funkeln. Die Kontraste hier sind hart. Im Innen und im Außen. Sie bringen mich zurück zu Gefühlen aus meiner Kindheit und Jugend. Während ich damals keine Antworten fand, weil mir die Erfahrung fehlte, bin ich heute dankbar, aus der Erfahrung heraus jederzeit neu wählen zu können. Manchmal kostet es mich Überwindung, mein Herz sprechen zu lassen. Und oft benötige ich dazu Mut und Kraft. Die schwinden, wenn ich im Wanken bin, wenn die Welt um mich herum verschwimmt, eintaucht in einen Nebel aus Fragen, der mich verschlingt, sprachlos macht und immer wieder die Sicht freigibt auf das Schöne, die Freude, das, was alles und alle verbindet.

UNSER TAG. „Da waren sie wieder, meine drei Probleme“. Der Satz drängt sich in den Text. Die etwas reiferen Leser erinnern sich vielleicht. 80er Jahre. Das gute, alte Kino mit Plüschsitzen. Ein Zitat aus „Otto, der Film.“ Ich weiß nicht, wo sich dieser Satz versteckt hatte. In einem Hotelzimmer ohne Fenster lugt er frech ums Eck und schreit „Nimm mich, nimm mich!“ Ich tue ihm den Gefallen, um meine Ruhe zu haben. Und da wäre schon das erste Problem. Die mir fehlende Ruhe. Neben unserem Hotel in Dồng Văn ist eine Baustelle. Eine Baustelle, auf der in meiner beschränkten Wahrnehmung von Baustellen ein Mann mit einem Bohrer permanent Krach macht. Morgens um 6.30h geht es los. Sobald ich durchatme, aufgeschreckt von der plötzlich einsetzenden Stille einer Pause, geht es weiter. Mein erstes Problem wird an diesem Tag dadurch gelöst, dass wir in den Tourbus springen, der uns ächzend in die Berge bringt. Zu neuen Baustellen, die sich wie ein roter Faden durch den Tag ziehen.

Das zweite Problem ist in Vietnam eigentlich keins. Eine Straße ist nach einer Sprengung durch einen Steinschlag versperrt. Wir steigen aus, vertreten uns die Beine, genießen die Aussicht, kommen in Kontakt mit den Bauarbeitern, spielen mit der Kamera, neuen Perspektiven, Spiegelungen, füllen unsere Lungen mit Bergluft und lassen das deutsche Zeitgefühl im Bus. Wir müssen hier nicht ankommen. Anstatt ungeduldig darauf zu warten, dass es weitergeht, reicht es da zu sein.

Der Tag ist vollgepackt mit Eindrücken. Wir sind viel draußen, zu Fuß unterwegs, versuchen uns an der Kontaktaufnahme. Immer wieder kommt es zu schönen Begegnungen. Ich darf den Tag dokumentieren und habe den Logenplatz in meiner Komfortzone. Womit wir am frühen Nachmittag Problem Nummer drei streifen. Warum beschleicht mich immer wieder der Gedanke, dass es nicht ausreicht, das zu tun, was mir Freude bereitet und leicht fällt? Menschen zu begleiten, ihnen beim Wachsen zuzusehen und sie zu ermutigen, ihren Weg zu finden und diesen selbstbewusst zu gehen und zu gestalten. Das erfüllt mich. Vielleicht, weil es mein eigener Weg ist, den ich gehe. Und nichts anderes mache ich an diesem Tag. Menschen begleiten. Meine positive, neugierige Grundstimmung an diesem Tag werte ich großzügig als stillen Beitrag für Empowerment. Diese Grundstimmung besucht mich immer dann, wenn ich einer Aufgabe nachgehe, die für mich einen Sinn ergibt. Wenn ich spielerisch unterwegs bin, meine innere Melodie passend wähle, und mich freue an dem, was um mich herum passiert. Da wäre zum Beispiel Christina, die mit ihren Instaxbildern den Frauen bei der schweren Feldarbeit eine Pause und mit den Bildern eine Erinnerung an eine Begegnung schenkt. Und vielleicht auch eine Begegnung mit sich selbst auf den Bildern. Der kleine Junge, der sich in den Sound des Spiegelklackerns beim Auslösen meiner Nikon verliebt wie ich mich mit Anfang 20. Gemeinsam mit Melanie und einer Horde zunächst skeptischer Dorfkinder das Zählen von 1 bis 10 zu üben, während der kleine Fotodrucker überhitzt und schnaufend für jedes Kind ein Bild ausspuckt. Kai und Mark, die für mich Ruhepole sind im Sturm meiner Gedanken. Die Mindclass nach dem späten Mittagessen, von der mir vor allem unser Lachen im Ohr bleiben wird. Das Lachen darüber, dass wir uns an einem ruhigen Ort wähnten. Haha! Wir sind in Vietnam. Der Tag schenkt zumindest einigen von uns noch zwei Zuckerstückchen und dem kranken Ronny einen langen, erholsamen Schlaf. Ein Zuckerstückchen seht Ihr unten auf den Bildern. Das andere kommt von Ly und Heiko. Ich hatte das Gefühl, es war für mich. Danke.

DISCLAIMER. Die Überschrift ist inspiriert von einem Zitat von Max Frisch. „Manche verwechseln dabei sein mit erleben.“ Es ist als Frage an mich gestellt und erinnert mich daran, dass ich hier etwas erleben will. Mittendrin zu sein statt nur dabei. Tage in der eigenen Komfortzone sind für mich wichtig, um mich wieder zu erden. Doch um ein Teil des Ganzen zu sein und nicht nur Beobachter, braucht es für mich hin und wieder etwas mehr. Um zu lernen und zu wachsen. Außerhalb der Komfortzone weht eine steife Brise. Ich mache die Jacke zu und stelle mich in den Wind.

Text und Bilder: Andrea Mühleck www.andreamuehleck.com

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