1
Nov
2016
5

Die Verschollenen

Nach zwei Tagen in Hanoi haben wir uns nun also auf den Weg gemacht, um den Norden Vietnams zu erkunden. Das Abenteuer beginnt am Sonntagmorgen um 5.30 Uhr, habe ich in den letzten beiden Tagen immer wieder aus den Mündern meiner Tourmitglieder gehört. Für mich hat es gefühlt schon begonnen, als ich in Düsseldorf in den Flieger gestiegen bin. Und das wir uns in unserem schnuckeligen, mit Gardinchen aufgehübschten Transit nun auf die Reise in den Norden Vietnams machen, lässt für mich aus einem Abenteuer spätestens jetzt ein ganz besonderes Abenteuer werden.
Auf unserer ersten Etappe machen wir auf den ersten 4 Stunden unzählige Zwischenstopps. Die Landschaft, die Häuser, die Menschen – man möchte einfach alle Eindrücke aufsaugen und würde besser zu Fuß gehen. Jedoch hat einer der Gruppe unbedingt etwas dagegen. Heiko pocht auf die strikte Einhaltung der Mahlzeiten und so erreichen wir punktgenau dass abseits aller Touristenpfade liegenden Dorf (da muss ich Ly noch mal fragen), wo auf einer kleinen Terrasse mit fantastischem Blick in das Tal ein fein zubereitetes Essen auf uns wartet. Die Stimmung bei Heiko steigt wieder.
Danach bekommen wir Auslauf und dürfen das Dorf unterhalb der Anhöhe erkunden. Alleine oder in kleinen Gruppen machen wir uns also auf den Weg. Ich bin ehrlich gesagt etwas unsicher. So, jetzt soll ich also mal machen. Ich trotte alleine los, mache unmotiviert 2 Bilder an einem kleinen Weiher, bevor ich an eine Weggabelung komme. Scheiße, es ist nebelig und ich kann beim besten Willen keinen meiner Mitstreiter in der Ferne erkennen. Erster Tag und gleich orientierungslos – bravo, dass fängt ja gut an. Ich versuche mich auf meinen Bauch zu verlassen und biege zielsicher links ab. Nach einigen Schritte höre ich in der Ferne meinen Namen. Auf der Anhöhe sehe ich Lisa, wie sie mir zuwinkt. Klasse denke ich, dass ist ja noch einmal gut gegangen. Umdrehen, durchatmen und schnell den Anschluss an die Gruppe finden, denke ich. 
Nachdem ich ein paar Meter gegangen war, tauchte neben mir ein kleiner Junge auf. Er musterte mich schüchtern von der Seite, um gleich darauf reiß aus zu nehmen, nachdem ich ihn angesprochen hatte. Nach ein paar Metern stoppte er wieder und wartete. So schlenderten wir einige Meter wortlos nebeneinander her und ignorierten uns. Mit einem seichten, liebevollen geraden Boxhaken auf den Oberarm konnte ich ihm ein Lächeln entlocken. Bingo, dass Eis war scheinbar gebrochen. Nachdem wir also dicke Freundschaft geschlossen hatten, hockten wir uns an den Wegesrand. Der kleine Mann musterte diese komischen gelben Kasten, den ich ihn vor die Nase hielt und aus dem wie von Zauberhand nun auch noch einer kleiner weißer Fotostreifen sauste. Ich gab ihm das kleine Bild in die Hand und er schaute und drehte es um. Das hatte ich befürchtet, wie soll ich ihm bloß klar machen, dass wir auf das Bildergebnis aus der Instax mini noch etwas warten müssen. Wahrscheinlich hielt er mich für total bescheuert. Fremder Mann mit komischer Brille versucht ein Zaubertrick vorzuführen und scheitert.
Nach kurzer Zeit werden dann aber doch die ersten Umrisse des Bildes sichtbar und ich bin erleichtert – Zaubertrick geglückt, weitere Bonuspunkte gesammelt. 
Nach einem kleinen Fotoschooting unter Freunden liefen wir beide gemeinsam weiter auf dem Weg und beäugten uns gegenseitig. Plötzlich hörte ich hinter mir auf dem Schotterweg eine weitere Person herannahen und Steffen tauchte aus dem mittlerweile doch sehr dichten Nebel auf. Gott sei Dank, dachte ich, wenn der hier auch langgeht, dann müssen wir ja richtig sein. Jetzt waren wir also zu dritt und trabten größenmäßig perfekt gestaffelt weiter. An einer Kurve winkte der kleine Mann noch einmal schüchtern und bog vom Weg ab zu einer kleinen Hütte. Ich hätte ihn gerne mit seinem Namen verabschiedet, aber den konnte ich ihm während unseres kleinen gemeinsamen Spaziergangs nicht entlocken. So blieb es auch bei mir bei einem wortlosen Winken.
Es ging weiter, der Nebel wurde dichter – spooky. Einige Kilometer weiter merkte Steffen an, er sei sich jetzt auch gar nicht mehr so sicher, ob wir richtig seien. Naja dachte ich, jetzt will er so ein Tourgreenhorn wie mich mal so richtig aufs Korn nehmen und mir ein bisschen Angst machen. Und zu allem Überfluß fing er nun auch noch an, eine Instastory daraus zu stricken. Menschen die mit ihrem Telefon reden, psss … er aber ist voll in seinem Element, irgendwie passte alles. Nebel, eine unglaubliche Landschaft und alles live bei Instagram, was will man mehr. Nachdem die ersten Episoden abgedreht waren, tauchte Lisa aus dem Nebel auf. Supi, laufen wir also zu dritt weiter und wechseln uns mit der Führungsarbeit an der Spitze ab. Wir fotografierten, frotzelten über die Wahrscheinlichkeit, auf dem falschen Pfad zu sein und setzten die Instastorys mit tatkräftiger Unterstützung von Lisa fort. Die Stimmung blieb entspannt aber nach weiteren unzähligen Biegungen wurde es langsam zur Gewissheit. WIR SIND FALSCH!
Es war mittlerweile 16.30 Uhr, die Dunkelheit setzte ein und zu allem Überfluss hatten wir jetzt auch kein Netz mehr. Jetzt musste ich an den Titel der Romanerzählung von Kafka denken »Die Verschollenen« … ach Quatsch »Der Verschollene« natürlich. Ist aber auch egal, der Titel passt zum Gesamtbild – alles etwas surreal. Unter großem Gelächter sponnen wir unsere Geschichte weiter und es wurde immer Dunkler. Die ersten lockeren Pläne wurden geschmiedet, wie und wo wir die Nacht verbringen wollten. Dann tauchten in der Ferne einige Hütten auf. Gott sei Dank, dort würde man uns bestimmt weiterhelfen können. Gleich bei der Ersten trafen wir auf eine Familie. Aber weiter kein Netz. Erster Rettungsversuch gescheitert. Mist, Galgenhumor machte sich breit. Etwas weiter trafen wir auf einen jungen Mann, plötzlich hatten wir wieder Netzempfang – die guten Geister kehrten zurück. Also fix einen Anruf an Ly, die ruck zuck unseren Rücktransport via Motorrädern organisierte. Entspannt schwangen wir uns schließlich auf die Rücksitze unserer Retter und liessen uns zurückbringen. Und noch ein Abenteuer – das Motorrad knattert und dröhnt über die buckelige Steinpiste. Jetzt galt es Kamera festhalten und drauf bleiben. 
Nach einer viertel Stunde erreichten wir den Treffpunkt, bedankten uns erleichtert und nahmen tapfer das Sonntagsgebet von Heiko entgegen. Super dachte ich, erster Tag und gleich unangenehm aufgefallen, mach‘ ruhig so weiter…
Jetzt keine Zeit verlieren, ab in den Wagen und schnell zum Quartier. Nach zahlreichen Frotzeleien im Transit kehrte bald Ruhe ein. Alle waren geschafft vom ersten Tag. Na das war ein Einstieg denke ich – ein Tag wie eine Woche. DANKE, ich habe es sehr genossen!
Text: Frank Niedertubessing  www.fn-images.de
Alle Fotos: Tour-Mitglieder
Der Tag aus Sicht und in Bildern von Steffen: http://www.stilpirat.de/abenteuer-vietnam-herbst-2016/
Hier der Tag in der Instastory:


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