19
Apr
2018
3

Die gelben Pillen

Heute vor einer Woche sind wir ins Unbekannte gestartet. Ins Abenteuer Vietnam. Einige von uns haben schon viel von der Welt gesehen, sind weit gereist und haben so manche Erfahrung gesammelt, viele Eindrücke gewonnen und andere Kulturen kennen gelernt. Vietnam ist anders. Vielleicht ist aber auch einfach diese Reise anders als die anderen, die wir zuvor gemacht haben. 

Vietnam lässt uns alle miteinander wachsen. Wir lernen hier Dinge, von denen wir gar nicht geahnt haben, dass sie wichtig sind oder gar existieren. Wir lernen viel mehr als Fotografie. Eigentlich ist das Thema sogar eher nebensächlich, wobei ich natürlich schon sehr viel dazu gelernt habe und alles aufsauge, was Steffen über Fotografie erzählt.

Wir fahren durch den Norden Vietnams, im Moment an der Grenze zu China entlang, schauen aus unserem Bus und staunen über die Schönheit des Landes. Erstarren vor Ehrfurcht, wenn wir die Menschen auf den Feldern arbeiten sehen, die so steil sind, dass bei uns niemand auf die Idee kommen würde, dort etwas anzubauen. Hier haben sie keine andere Möglichkeit und nutzen jeden Quadratmeter fruchtbaren Boden. Egal, ob der direkt am Abgrund liegt oder nicht.

Die ganze Familie hilft mit. Jeder hat seine Aufgabe. Entweder passt die Oma auf die Kleinen auf oder hilft selber noch aktiv mit. Wir haben auch schon kleine Kinder gesehen, die ihre noch kleineren Geschwister auf dem Rücken transportiert haben. Sie hatten die Last und die Verantwortung zu tragen. Heute haben wir eine ältere Dame dabei beobachtet, wie sie mit vollem Eifer aus Papier kleine Anzüge geklebt hat, die dann auf dem Markt vor ihrer Tür verkauft wurden. Jeder Teil der Familie wird einbezogen in den Alltag. Niemand wird ausgeschlossen. In den Häusern herrscht ein Kommen und Gehen. Die Türen sind tagsüber immer geöffnet.

Wir lernen von Ly, Heiko und Steffen sehr viel über die vietnamesische Lebensweise, die Umgangsformen und die Sprache. Wir haben uns schon das ein oder andere Mal in die Nesseln gesetzt und uns nicht landestypisch verhalten. Sie haben uns aber meistens machen lassen und abends in der täglichen Feedback Runde ihre Meinung dazu geäußert. Warum sie das so machen? Weil wir uns von unserem Gefühl leiten lassen sollen, unserem Instinkt folgen und so automatisch richtig handeln. Wir sollen quasi unsere Sinne schärfen. Vor allem aber sollen wir im Geben denken. Eine schöne Art des Denkens.

Heute hat Steffen das Thema Kommunikation einem anderen Thema vorgezogen. Aus dem Impuls heraus, dass es vielleicht an der Zeit wäre, ein paar Dinge zu erörtern, die unsere Kommunikation mit den Vietnamesen erleichtern könnte. Ja, das war gut. Ich bin gespannt, was wir aus dem heute Erlernten morgen und in den nächsten Tagen machen werden.

Aber jetzt mal von vorne. Abfahrt war für sieben Uhr angesetzt. Etwas zeitverzögert ging es auf die Reise, denn nach Ronny hat es nun auch Mark und Kai erwischt… und so wie es sich gerade anfühlt, wird es auch bei mir bald losgehen. Die gelben Pillen, die wir am Anfang der Reise bekommen haben und gigantisch gegen Magen-Darm-Beschwerden helfen sollen, kamen heute auf jeden Fall mehrfach zum Einsatz.

Nachdem die Fahrt dann los gehen konnte, war unser erster Stopp in den Bergen mit wundervollem Panorama. Wir kamen aus dem Fotografieren gar nicht mehr raus. Im Anschluss saßen wir rund um eine kleine Feuerstelle, auf der Mais, Eier und Süßkartoffeln gegrillt wurden und haben gefrühstückt. Drei Vietnamesinnen und wir. Herrlich.

(Kleine Randnotiz: jetzt hat es mich auch erwischt…)

Um die ganze Schönheit der Umgebung noch weiter zu erkunden, sind wir ein wenig zu Fuß der Straße gefolgt und haben die Aussicht genossen. Nach jeder Kurve sahen die Berge wieder ganz anders aus. Hier haben wir dann tatsächlich die schwer arbeitenden Einheimischen gesehen, wie sie an den steilen Hängen auf ihren Feldern gearbeitet haben.

Weiter ging die Fahrt vorbei an kleinen Dörfern und vielen Menschen. Angehalten haben wir in einem kleinen Dorf, in dem wir erst vier oder fünf Kinder und eine ältere Dame gesehen haben, die offensichtlich auf die Kinder aufgepasst hat. Wir wollten ihnen ein paar Kleidungsstücke schenken, die wir aus Deutschland mitgebracht haben. Mit einem Mal kamen allerdings so viele Kinder angerannt, dass wir diesen Plan über Bord geworfen und ihnen stattdessen Malbücher und Stifte geschenkt haben, die Andrea besorgt hatte. Christina hat ihnen gezeigt, was man mit den Büchern anfängt und jedem Kind ein Buch und Stifte gegeben. Ihr könnt euch nicht vorstellen wie süß das war die Kinder dabei zu beobachten, wie sie sich sofort alle miteinander einen Platz gesucht und angefangen haben zu malen. Jedes Kind war total versunken und alle haben akribisch ausgemalt. Faszinierend.

An unserem Ziel in Bao Lac angekommen, sind wir erst einmal essen gegangen. Mark hat lieber verzichtet, wir anderen haben es uns aber schmecken lassen. Nach dem Einchecken haben Andrea, Kai und ich die kleine Stadt erkundet. Hier ist es so viel friedlicher, als in Hanoi, Ha Giang oder Dong Van. Wir haben uns einfach ein wenig treiben lassen und hatten ein paar sehr nette Begegnungen. Am meisten hat mich eine ältere Frau fasziniert, die aus ihrem Haus heraus kam, mich sofort umarmt, die ganze Zeit meine Hand gestreichelt und mit uns gesprochen hat, als würden wir jedes Wort verstehen. Sie hat gelacht und erzählt und unsere Herzen erwärmt.

Text und Bilder Melanie Müller http://melaniemueller-fotografie.de

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