Der Gong in Phát Diệm
Wir verlassen Mộc Châu und ich blicke ein bisschen wehmütig zurück. Es war eine wirklich ein wunderschöner Platz zum Verweilen. Die Teeplantage lag geradezu mystisch vor uns und der Blick von unseren Wohncontainern war außergewöhnlich schön. Leider konnte ich all das nicht so recht genießen, da ich genau an diesen beiden Tagen in Mộc Châu eine ordentliche Magenverstimmung hatte 🙁 Aber die beiden Tage Ruhepause taten jedem in der Gruppe gut um die erste Hälfte der Tour körperlich und mental erst einmal zu verarbeiten.
So sitzen wir jetzt wieder in unserem Tourbus und schlängeln uns durch die unendlich vielen Kurven. Eine lange Fahrt liegt vor uns und ich gebe zu, dass die vielen Kurven meinen Magen doch noch etwas durchschütteln. Aber ich halte gut durch und habe das Gefühl, dass es mir mit jeder Stunde wieder besser geht und genieße die atemberaubenden Ausblicke während der Fahrt und der Pausen.
„Heute übernachten wir in Phát Diệm in einem Kloster“, ruft Heiko von hinten durch den Bus. Gemeinschaftsräume, einen für die Jungs und einen für die Mädels. Phát Diệm ist eine in Vietnam gelegene römisch-katholische Diözese mit richtig vielen Kirchen und im Kloster erwartet uns schon Schwester Marie Lou. Was für eine liebenswerte und herzliche Frau, die uns mit offenen Armen empfängt und zu unseren Schlafquartieren führt. Frohen Mutes setzen wir uns auf die Betten – autsch! Das sind mal einem Kloster angemessene, asketische und echt verdammt harte Matratzen. Also ich bin mir erst einmal gar nicht so sicher, ob es sich überhaupt um eine Matratze handelt oder nicht doch ein Holzbrett, aber ein Blick unters Laken enthüllt tatsächlich eine Matratze. Naja, was soll´s die Nacht wird sowieso kurz, da um 5 Uhr die Morgenmesse ansteht.
Als wir am Nachmittag noch ein bisschen die Stadt erkunden und treffen wieder auf soviel Neugier und Herzlichkeit uns „Langnasen“ gegenüber. Junge Vietnamesen, für die ein Selfie mit uns zum Highlight wird und somit für uns auch und Daniela erfährt sogar eine Bekanntschaft der ganz besonderen Art mit einer jungen Studentin, die sie ganz unverhofft anspricht um ihr Englisch anwenden zu können. Überall in Vietnam sind wir auf diese Offenheit gestoßen.
Und damit der Tag auch sinnvoll endet gibt´s nach dem Abendessen noch eine Runde Mindclass. Wir wurden ja jetzt schon an den verschiedensten Orten mit der Mindclass konfrontiert – im Bus während der Fahrt, auf der Wiese vor einem Wasserfall, im dichten Nebel…aber das mit dem Gemeinschaftsschlafraum im Kloster fand ich bisher am lustigsten. Danach sind aber dann alle wirklich so müde, dass auch die harten Matratzen keine echte Rolle mehr spielen.
Der Gong des Klosters weckt uns „sanft“ um 4 Uhr und ich gehe tatsächlich in die Morgenmesse. Also an der Stelle bin ich wirklich von mir selbst überrascht. Ob es jetzt daran liegt, dass ich auf der Matratze sowieso nicht mehr länger hätte liegen können, an meiner Neugier wie der christliche Glaube hier praktiziert wird oder an der mystischen Umgebung von Phát Diệm – ich weiß es nicht. Vermutlich eine Mischung aus allem. Ich lausche fasziniert der Messe und obwohl ich kein Wort verstehe, weiß ich doch genau was passiert. Allerdings glaube ich, dass ich mich versehentlich auf die Seite der Männer gesetzt habe. Das fällt mir aber erst nach der Messe auf. Währenddessen habe ich mich eigentlich nur über die Blicke der vietnamesischen Frauen auf der „richtigen“ Seite gewundert.
Beim anschließenden Frühstück gibt es diesmal Baguette, Streichkäse und Rührei. Obwohl sich eigentlich alle schon an die tägliche warme Suppe morgens gewöhnt haben, kann man den Heißhunger auf das etwas „heimisch“ angehauchte Frühstück bei allen deutlich sehen.
Und so verlassen wir Phát Diệm wieder, eine Stadt in der ich sehr gerne noch etwas länger geblieben wäre. Aber es warten ja bereits wieder neue interessante Ziele auf uns.
Tanja Ghirardini
www.taghira.de