5
Apr
2016
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Das Abenteuer beginnt

Hanoi, 5:45 Uhr, Nebel, fünfundzwanzig Grad und gefühlte einhundert Prozent Luftfeuchtigkeit. Zusammen mit Anne, Marc und Andreas steige ich nach über zehn Stunden aus dem Flugzeug. Die feuchtwarme Luft Vietnams schlug uns sofort ins Gesicht und liess uns auf einmal spüren, dass wir nun angekommen sind. Plötzlich ist es da, dieses Abenteuer und wir sollten schon bald mittendrin sein.

Nach einer halbstündigen Busfahrt durch Regen und Nebel, war plötzlich das Viethouse, quasi unsere Abenteuer-Zentrale, zu sehen. Ly, Heiko, Steffen und Jojo warteten bereits und hiessen uns unglaublich herzlich willkommen. Es fühlte sich sowieso irgendwie bei allen an, als ob wir uns schon ewig kennen würden und uns einfach nur eine zeitlang nicht gesehen hätten (natürlich auch bei Katrina, die dann am Mittag zu uns stiess). Da war diese Nähe und Verbundenheit, die schwer in Worte zu fassen ist. Auf jeden Fall ging es gleich ohne Umwege zum ersten Frühstück unserer Reise. Dabei brachten uns Ly und Heiko geduldig bei, wie man Suppe mit Stäbchen isst und warnten uns vor der Chilipaste. Natürlich ignorierte ich diese Warnung (genauso wie Marc) und hab es mit der Paste leicht übertrieben. Naja. Auf jeden Fall heitzten uns die Chilis ordentlich ein und wir schwitzten beide wie in einer Dampfsauna. Eine Lehre war es aber allemal. Alles ist ja schliesslich gut für etwas.

Nach dem leckeren Frühstück, zeigte uns Steffen kurz ein, zwei Ecken der Stadt und liess uns die Umgebung anschliessend alleine erkunden. Dabei schlugen wir uns – um es vorsichtig auszudrücken – nicht allzu gut. Es vergingen nämlich keine zwei Minuten und schon wurden wir nach allen Regeln der Kunst genüsslich abgezockt und stellten uns dabei derart dumm an, dass man es kaum glauben könnte. Hier die Kurzversion: Eine Verkäuferin bot uns an, Fotos mit ihrer „nicht genormten Trageeinrichtung“ (Zitat Heiko) zu schiessen, worauf man quasi dazu verdonnert ist, ein paar Früchte zu kaufen. Normalerweise für kleines Geld, doch irgendwie haben wir es geschafft, das fünffache zu geben. Das Resultat waren 250000 Dong für ein paar wenige Ananans-Scheiben und zwei labbrige Bananen. Und auch die Tatsache, dass wir uns einredeten, dass es vergoldete Bananen wären, machte die Tatsache nicht unbedingt besser. Ein Spass war es aber im Nachhinein auf jeden Fall und uns allen eine weitere Lehre.

Nunja. Weiter ging es zum Hoan-Kiem-See, wo wir uns eine kleine Aufgabe auferlegten, um „warm“ zu werden. Ziel war es, dass jeder von uns der Reihe nach Paare anspricht und portraitiert. Eigentlich simpel, doch aller Anfang ist bekanntlich schwer. So auch bei uns. Nach einer Weile entwickelte sich aber eine unglaubliche Dynamik und alle fotografierten kreuz und quer Paare rund um den See. Das heisst, wenn Andreas mal nicht für ein Gruppenfoto oder Selfie hinhalten musste. Mit seiner Regenbogen-Iro-Frisur ist er der Hingucker schlechthin hier. Insgesamt kamen wir den Nachmittag über mit unheimlich vielen Menschne ins Gespräch, haben Facebookkontakte ausgetauscht und zusammen Fotos gemacht. So waren wir plötzlich – ohne es zu merken – mittendrin in dieser pulsierenden Stadt, die uns mehr und mehr in ihren Bann zog. Dabei hatte ich allmählich das Gefühl, ein ein Teil dieses riesgen Flusses zu sein, der mich so kraftvoll mit sich zieht.

Hanoi ist eine unglaublich wuselige, laute und auf den ersten Blick chaotisch anmutende Stadt. Dennoch strahlt sie für mich auf paradoxe Art und Weise eine gewisse Ruhe und Gelassenheit aus. Es beeindruckt mich, wie die Menschen hier mit all dem hektischen Verkehr und Lärm umgehen. So sitzen auch überall Menschen vor ihren Läden und lassen sich überhaupt nicht beirren, wenn Leute in den Laden kommen. Sie trinken gemütlich Kaffe, essen Suppe, schneiden sich die Zehennägel, kleben ihre Schuhe zusammen, waschen Wäsche oder Geschirr (teilweise auch beides zusammen). Oder aber sie schlafen ein bisschen. Und das schöne daran ist ja gerade, dass man sich von dieser vietnamesischen Gelassenheit unweigerlich anstecken lässt. So läuft man – komplett entgegen allen europäischen und über Jahre gelernten Intuitionen – völlig tiefenentspannt über eine vielbefahrene Hauptstrasse, während gefühlte hundertfünfzig Roller auf dich zurasen und alles andere als den Anschein erwecken anzuhalten. Allgemein scheint es, dass die Verkehrsregeln hier,auch nur auf dem Papier zu gelten scheinen. Doch das macht diese Stadt für mich nur noch charmanter.

So. Nun aber wieder vorwärts hier, damit wir auch irgendwann am Ende der drei Tage ankommen. Also. Am Abend gab es traditionelles, vietnamesisches Essen. Und zwar viel davon. Nicht nur mengenmässig. Auch die Auswahl, die uns Ly bestellt hat, war riesengross und zugegebenermassen etwas überfordernd für uns alle. Dass wir alle von Grund auf lernen mussten, wie man das alles ist, kam dabei natürlich noch oben drauf. Lecker war es aber allemal und ich wusste bereits nach dem ersten Tag, dass ich das Essen vermissen werde.

Text und Fotos: Yannick Zurflüh, www.yannickzurflueh.li
Tägliche Berichte: www.facebook.com/yannickzurflueh 

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Der zweite Tag bricht an und wir laufen zu Omas Garküche gleich um die Ecke. Die Suppe war wieder genauso köstlich, wie am Vortag und ich hatte bereits das Gefühl, noch nie etwas anderes zum Frühstück gegessen zu haben. Keinen einzigen Gedanken habe ich an unser „normales“ Frühstück verschwendet.

Kaum zurück im Hotel, begann auch schon die Themen-Vorstellungsrunde. Dabei zeigte sich schnell, dass wir die sagen-wir-mal etwas planlosere beziehungsweise verwirrtere Gruppe sind. Auch nach zwei Stunden waren die meisten von uns noch nicht klar genug im Kopf. Doch das machte nichts. Wir waren überzeugt, dass sich dies noch ergeben wird und wir uns noch keine allzu grosse Sorgen machen sollten. Gleich im Anschluss war ein Workshop-Block rund um das Thema Reportage angesagt, dessen Inhalte mich noch den ganzen Tag und darüber hinaus beschäftigt haben. Klarheit über die Themen verschafften sie uns aber allen nicht so wirklich, da uns nur noch mehr bewusst wurde, wie schwer es ist, eine richtig gute Reportage auf die Beine zu stellen.

Nach dem Workshop flohen gleich alle nach draussen. Zu gross war das Bedürfnis, den Kopf einerseits durchzulüften, andererseits aber auch mit neuen Eindrücken zu füllen. Einen wirklich guten Tag hatten wir aber alle nicht und die Stimmung war ein kleines bisschen getrübt. Nicht den Teammitglieder gegenüber (wir hatten es genauso gut miteinander, wie in der ersten Minute). Es war – zumindest bei einigen – ein gewisser innerer Konflikt, den man  noch nicht zu schlichten vermochte. Doch gerade als wir nach dem Abendessen wieder ins Hotel zurück wollten, blieben Jojo, Andreas und ich an einer Hauptstrasse stehen, wo hunderte Roller im Sekundentakt an uns vorbeirauschten. Erst noch ein wenig skeptisch, begannen wir schliesslich doch ein, zwei Fotos zu schiessen. Wir hätten uns allerdings nicht in unseren buntesten Träumen solch wundevolle und teilweise eindrückliche Reaktionen ausmalen können. Es war überwältigend. Leute winkten uns zu, lachten, hatten Spass. Genau wie wir. Einige fuhren langsamer, dass wir sie auch ja erwischten, andere hielten sogar an, um mit uns ein Gruppenfoto zu machen. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, welches wir drei uns zusammen mit ein bisschen Gänsehaut teilten. Ich selbst spürte dabei eine Euphorie, wie ich sie sonst nur nach einer Achterbahnfahrt erlebe (und auch nur ansatzweise so stark, wie hier). Es war schön. Und es zeigte uns auf eindrückliche Art und Weise, dass ein Foto das Ergebnis einer Beziehung ist. Auch wenn diese nur zwei Sekunden dauert.

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Ich hätte es ja besser wissen sollen, als ich erst nach 1:00 Uhr nachts ins Bett gegangen bin. Doch der Kopf war zu voll mit all den Eindrücken, die den gesamten Tag über im Sekundentakt auf mich einstürtzen. Immerhin bekam ich aber zumindest ein bisschen Schlaf, bevor wir um 6:00 Uhr zum Hoan-Kiem-See liefen. Dort war morgentliches Tanzen und Lach-Joga angesagt und prompt war der Schlafmangel wie weggeblasen. Ohnehin habe ich das Gefühl, hier nicht wirklich müde zu werden, obwohl ich in drei Tagen zusammen nur rund zehn Stunden geschlafen habe. Auf jeden Fall war der Frühsport mit vielen anderen Leuten zusammen ein perfekter Start in den Tag. Unterstützend wirkte dabei die leckere Frühstückssuppe (dieses Mal schon wieder mit etwas mehr Chilipaste), welche bereits so vertraut und fast selbsverständlich wirkte. Anschliessend widmeten wir uns mit Steffen zusammen dem Thema Wahrnehmung, worauf wir uns erneut aufteilten, um uns unseren Reportagen zu widmen, was auch mehr oder weniger gut geklappt hat.

Insgesamt stelle ich nach drei Tagen Hanoi fest, dass es etwas mit mir und uns allen macht.

Daher auch ein Rat an euch alle: Wenn ihr mal so richtig scheisse drauf seid, euch nicht gut fühlt oder einfach Energie auftanken möchtet, geht nach Vietnam! Sofort! Wirklich. Bucht euch noch heute einen Flug! Ihr werdet es nicht bereuen. Die Begegnungen hier sind schlicht unglaublich und das Gefühl dabei nur ganz schwer in Worte zu fassen. Man spürt es einfach tief im Herzen. Die Menschen hier geben einem so viel ganz ohne dafür etwas nehmen zu wollen (ausser ab und zu vergoldete Bananen) und ziehen einem mit Leichtigkeit aus jedem noch so grossen Loch. Mit einem einzigen Lächeln. Einer einzigen Geste. Einem einzigen Blick. Es sind Begegnungen, welche die restliche Welt um einen herum vergessen lassen. Man lebt vollkommen im Moment und hält ihn solange fest, wie es möglich ist, um ihn anschliessend im Herzen weiterzutragen.

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2 Responses

  1. Mein lieber Scholli, Du machst wirklich großartige Bilder! Das Gegenlichtfoto mit dem Fahrrad ist ja ein Knaller!! Und auch Dein Blog schaut und liest sich sehr schön!! Ich lasse also mal ein großes, umfassendes Lob da und wünsche Euch allen eine tolle Zeit in Vietnam!!! 🙂