Tag 13 Entspanntes Ausplätschern
Der Tag plätschert nach einem frühen Start in Son La gemächlich vor sich hin, so wie das Wasser in der Halong Bay, das an den Rumpf unseres Bootes schwappt. Der letzte Stop unserer Tour führt uns an einen Ort, an dem sich alle Vietnamreisenden wiederfinden. Im Gegensatz zu den vorherigen Haltepunkten befindet er sich ganz oben auf jeder „10 Dinge, die Du in Vietnam gesehen habe musst“-Liste. Die Halong Bucht ist ein Ort, um den sich Mythen ragen wie das Grün der Pflanzen um die Karstfelsen, die aus dem graugrünen Wasser ragen. Wo vor fünf Jahren noch weiße Strände und Palmen den Übergang zwischen Land und Meer markierten, säumen ihn heute Betongerippe, Disneybauten und ein Vergnügungspark. Sie warten darauf, dass Besucher kommen und die leer stehenden Appartments füllen, die für den erhofften Ansturm aus dem Boden gestampft wurden.
Aufgewacht von den blau-schimmernden Bildschirmen unserer Laptops wandern unsere Blicke kurz vor Halong Stadt aus dem Busfenster. Einen Eindruck, welches Paradies hier verloren ging, erhaschen wir nur anhand von Fotos, die Steffen vor fünf Jahren eingefangen hat. Nicht wissend, dass seine Bilder nur ein halbes Jahrzehnt später historisch sein würden, weil die Menschen hier andere Pläne mit der Bucht haben. Die Bilder erzählen von Schönheit, Vergänglichkeit und Liebe. Von Wendungen, die spürbar waren und mit der Zeit sichtbar wurden. Geschichten über die sich abzeichnenden Schatten – und das Licht der Liebe. Heiko und Ly haben vor fünf Jahren ihre Viethouse Lodge verlassen, weil sie ahnten, dass der Ort um die Lodge seine Seele verlieren würde. Und eine andere Liebe klopft nicht an, sondern ist da, steht im Raum. Mit einem Gefühl, das wie die Flut in die Herzen schwappt. Annehmen und Loslassen. Geben und Nehmen. Ebbe und Flut. Leben ist Bewegung.
Ohne die Geschichten und Bilder, ohne Steffen, Ly und Heiko, hätte der Ort für uns nach den Tagen in den Bergen trostloser nicht sein können. So begleitet uns ein Hauch Nostalgie durch die Bauwüste, vorbei an den Anlegestellen der Dschunken, die sich um die Mittagszeit in Scharen auf die vorgegebene Route durch die Bucht begeben. Ein Kahn reiht sich an den anderen und schnauft geräuschvoll und stinkend aus dem Hafen, rein ins Weltkulturerbe Halong Bucht. Was fotografiert man an einem Ort, an dem die sich das freie Fortbewegen auf ein Schiffsdeck begrenzt? An dem bereits alles auf dieser Route zig fach veröffentlicht wurde? Müde nach 13 Reisetagen mit vollem Kopf und lautem Herz, oftmals grummelndem Bauch und neuen Fragen in den Fingern lag mein Fokus an diesem gefühlt letzten Tag nicht auf der Fotografie. Sie war an diesem Tag einfach das, womit meine fotografische Geschichte anfängt: eine Begleiterin, die erdet, zum Spielen einlädt, zum Ausprobieren inspiriert und immer wieder eine gute Ausrede darstellt, um jemandem den Hintern ins Gesicht zu strecken ;-p.
In der letzten Mindclass auf dem Sonnendeck lernen wir – passend zur Umgebung – etwas über Wellen. Hirnwellen, auf denen wir täglich schaukeln. Je nachdem, in welchem Zustand wir sind, kann es schwer werden mit dem Surfen. Es sei denn, man ist geübt. Und weiß wie man zurück findet in den Flow. Wir baden im (ent-)spannenden Thema – das auch großartig über Musik wirkt. Entspannung auf die Ohren für Kreativität, dem eigentlichen Thema der heutigen und letzten Mindclass. Wie wecken wir sie, wenn sie schläft? Wo finden wir sie, wenn wir glauben, wir hätten sie verloren? Was können wir jeden Tag dafür tun, dass uns die Kreativität besucht? Wann küsst uns die Muse endlich? An Bord ganz klar durch Inspiration von Steffen. Der uns noch dazu in seine Trickkiste blicken lässt, was die Entstehung von Kunst betrifft.
Der Abend endet mit einem Gin Tonic und Partymusik vom Nachbarboot. Die immer dann zur Ruhe kommt, wenn wir uns nicht mehr darauf konzentrieren. Zufall? Vielleicht. Wahrscheinlich nicht.
Text und Bilder: Andrea Mühleck http://andreamuehleck.com