Ein letzter Gruß
Mittlerweile bin ich in Deutschland gelandet. Ich saß komatös im Flieger. Es war, als ob ich mich von all meinen Gefühlen kurz mal abschotten musste, denn der Abschied ist mir wirklich schwer gefallen. Ich war die Letzte die nach Hanoi gekommen ist und die Erste die wieder abgereist ist. So kam es, dass wir zum Abschluss alle zusammen in einem eleganten Restaurant essen waren (all you can eat, unfassbar lecker), dann das Taxi kam und mich alle auf dem Bürgersteig vor dem Restaurant verabschiedet haben. Abschiede sind nicht so meins. Vor allem dann nicht, wenn man zwei so intensive Wochen miteinander verbracht hat, in denen wir so viel erlebt, gelernt und gefühlt haben. Wir haben zwischendurch alle mal an uns selbst gezweifelt und sind gleichzeitig immer mehr gewachsen. Diese Reise kann man nicht in Worte fassen, man muss sie erleben.
Dennoch möchte ich versuchen, sie ein wenig zu beschreiben und anderen Menschen, die vielleicht mit der Idee spielen, sich aber nicht so recht entscheiden können, die Angst nehmen. Bisher sahen meine Reisen eher so aus: Als Kind bin ich mit meinen Eltern fast immer in den Campingurlaub gefahren. Meistens nach Süditalien. Wir wollten Sonnengarantie (denn in Schleswig Holstein konnte man nicht davon ausgehen, in den Sommerferien Sommer zu haben) und somit sind wir so weit wie möglich in den Süden gefahren. 2000 Kilometer mit dem Auto. Kein Problem. Im Laufe meines Lebens habe ich einige Reisen unternommen, die natürlich auch über die Grenzen Italiens oder Frankreichs hinaus gingen. Wunderschöne Reise waren das. Große und kleine Abenteuer. Selten alleine, oft mit Freunden, mit meinen Eltern, mit meinem Mann und meinen Kindern. Ich bin allerdings noch nie einfach so losgefahren. Nur mit Rucksack bestückt und gucken, wohin die Reise geht. Dafür war ich immer zu ängstlich oder zu bequem, ich weiss nicht, wie man das nennen soll. Ich habe meine Freunde damals beneidet, die mit Interrail durch Europa gereist sind. Ich hatte dazu viel zu viel Angst. Wovor weiss ich jetzt nicht mehr.
Auch jetzt war ich nicht alleine unterwegs und die Reise war von Heiko und Ly super durchorganisiert. Ich war aber in einem Land, in dem ich noch nie war, in Teilen des Landes, in die ich auch nie gereist wäre (mich hätte es immer nur ans Meer gezogen), mit Menschen zusammen, die ich überhaupt nicht kannte, mit Aufgaben bestückt, die mich teilweise etwas überfordert haben. Niemals wäre ich ohne Ly, Heiko & Steffen in ein Dorf gegangen, um Kontakt zu den Menschen aufzunehmen. Ihnen bei ihrer Arbeit zuzuschauen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Warum auch? Weil es glücklich macht. Es ist so schön zu erleben, wie die Menschen in Vietnam (und letztendlich überall auf der Welt) sich freuen, wenn man an ihnen interessiert ist. Wir wurden so oft zum Tee eingeladen und wir haben irgendwie versucht uns zu verständigen. Es hat erstaunlich oft geklappt. Es hat aber gedauert, bis ich begriffen habe, was ich da eigentlich tue. Bis ich mich von meinem eigenen Unwohlsein, von meinen Ängsten befreit habe und ganz unvoreingenommen und von Herzen auf die Menschen zugegangen mit. Plötzlich hat sich eine Tür aufgetan und es ging ganz leicht.
Ich wollte eigentlich eine richtig gute Fotostrecke hinbekommen. Zu meinem Thema, das ich mir im Vorfeld ausgedacht hatte. Dafür hat aber das richtige Ankommen im Land und in mir selber etwas zu lange gedauert. Ich hatte nicht das Gefühl, nicht bei mir zu sein, dennoch schlummerte da noch etwas in mir, was sich – so glaube ich – am Ende gezeigt hat. Ich müsste jetzt noch ein wenig alleine herum reisen, dann würde ich die Strecke zusammen bekommen. Es macht aber nichts, dass das nicht geklappt hat, denn jetzt bin ich bereit für die Dinge in meinem Leben, die ich mich bis jetzt nicht so richtig getraut habe. Aus fotografischer Sicht und auch sonst. Aus seiner eigenen Komfortzone ab und zu mal hinaus zu kommen, kann sehr befreiend sein.
Also, wer noch zögert diese Reise anzutreten: einfach tun. Wer weiss, was Vietnam für dich bereit hält.
Jetzt sollte ich allerdings auch noch den letzten Tag zusammen fassen, denn dieser Tourblog ist auch für uns Reisende ein schöner Fundus an Erinnerungen. So können auch wir immer mal wieder nachlesen, was wir eigentlich alles in so kurzer Zeit erlebt haben.
Wir sind morgens auf unserem Schiff in der Halong Bucht aufgewacht. Es war etwas diesig, aber anscheinend ist es so, dass sich die Sonne dort nur zwei Monate im Jahr zeigt. Auch wenn die Hotels aus dem Boden sprießen wie Pilze und auch auf dem Meer so viele Boote unterwegs sind, dass von idyllischer Übernachtung auf dem Meer nicht unbedingt die Rede sein kann, war es schön, diesen gemeinsamen Abschluss auf dem Schiff zu haben.
Wir haben eine letzte Bildbesprechung gemacht, was wieder sehr hilfreich war, unsere Sachen gepackt, noch an Bord zu Mittag gegessen und haben uns dann auf den Weg zurück nach Hanoi gemacht. Es ist also nicht wirklich viel an dem Tag passiert. Heiko hatte Spaß daran, mir immer wieder unter die Nase zu reiben, dass ich ja heute Abend abreise. Lasset euch gesagt sein: nie am letzten Tag der Reise wegfliegen… ;-). Das ist einfach zu abrupt und auch planungstechnisch hätten Ly und Heiko mehr Freiraum gehabt, wenn ich erst einen Tag später geflogen wäre. Ich hätte mir die Tourbeiträge der letzten Reisen doch noch etwas genauer durchlesen sollen.
So, jetzt bin ich gleich wieder zu Hause in Franken. Ich fahre mit dem Zug an blühenden Kirschbäumen vorbei. Die Natur ist in den letzten zwei Wochen explodiert. Gefühlt bin ich im Winter weggefahren und im späten Frühling wieder angekommen. Deutschland ist wunderschön. Es ist schön, wieder hier zu sein. Mit ganz vielen neuen Eindrücken und Erfahrungen im Gepäck und wundervollen Erinnerungen im Herzen.
Danke an Ly, Heiko, Steffen, Caro, Andrea, Christina, Mark, Ronny, Kai und natürlich auch an Hoang, unseren gigantisch guten Fahrer, für diese unbeschreiblich schöne Zeit. Ihr ward tolle Reisegefährten.
Text & Bilder: Melanie Müller https://www.melaniemueller-fotografie.de