13
Mrz
2016
5

Frühe Vögel in den Bergen

Morgens um 5 Uhr in Điện Biên Phủ -das ist genau die Zeit, zu der wir in das nächste Abenteuer starten.

Eine noch verschlafene Stadt mit ca. 70.000 Einwohnern, die ungefähr 600 Meter hoch liegt und bekannt ist durch eine 55tägige Schlacht, mit der die Kolonialmacht durch die Franzosen ein für alle Mal abgeschafft wurde. Und die außerhalb der üblichen Touristenströme liegt. Genau das richtige Gebiet, in welchem wir „Langnasen“ für die nächsten 3 Nächte hervorragend auffallen werden.

Fotografen sind verrückte Leute. Sie lassen sich auf wenig Schlaf ein, um die Zeiten mit den schönsten und auch kürzesten Lichtmomenten einzufangen. Ausgerüstet mit Stativen und Filtern und  jeder Menge Aufregung, unterwegs auf holprigen Straßen in Richtung Berge, um für uns „Flachlandtiroler“ einen nicht so alltäglichen Sonnenaufgang aufzunehmen. Welch unglaubliche Weiten und jeder, der um die Faszination dieser Stille weiß, wird verstehen, warum Uhrzeiten manchmal wirklich keine Rolle spielen.  Wenn ein Tag schon so beginnen kann – da kommt das Licht nicht nur auf die Speicherkarte, sondern direkt durch die Augen ins Herz.

Nahezu beseelt geht es weiter und es ist unschwer zu erraten, was es zum Frühstück gibt? Richtig – die bereits seit Tagen erwähnte Pho Bo. Bisher vermisst noch keiner von uns Brötchen, Salami oder Käseschnitten. Einzig der darauffolgende vietnamesische Kaffee ist definitiv nichts für schwache Nerven und wird quasi direkt in das Glas gefiltert auf einen Schlag gesüßter Kondensmilch, die die Bitterkeit aber nicht vollends verdrängen kann. Egal – er macht wach. Und lässt sich verdünnen mit Eiswürfeln. Ich persönlich freue mich schon auf den typischen Kaffee in Hanoi: heißer starker Kaffee, der in der Tasse mit Eigelb und Zucker aufgeschlagen wird…

Wach geht es weiter auf den holprigen Serpentinen, zwischen Mopeds und LKWs, begleitet mit (für uns sicherheitsfanatischen Europäer) riskanten Überholmanövern, durch Staub, vorbei an Reisfeldern, direkt in den Dschungel. Was für eine Geräuschkulisse zwischen all dem vielen Grün, unbekannten Vögeln und großen Schmetterlingen. Und da wir nicht nur Abenteuerlust befriedigen wollen, sondern auch an der fotografischen Entwicklung arbeiten, gibt es einen kurze Lektion von Steffen zum Thema Sonnenlicht und Blitz.  Noch sind die Temperaturen erträglich und auch die Luftfeuchtigkeit ist völlig okay.

Auf der holprigen Fahrt findet Entschleunigung pur statt: es gibt genügend Augenfutter entlang dem Fluss zwischen Bergen und Reisfeldern, kleinen Hütten und Wasserbüffeln auf den Straßen. Und immer wieder traditionell gekleidete Menschen, Schulkinder und  Straßenstände. In dieser Gegend leben zahlreiche ethnische Minderheiten, die auch leicht zu erkennen sind. Wir sind nicht einmal 30 km von der laotischen Grenze entfernt und Hanoi liegt mit seinen 500 km mittlerweile schon fast eine Tagesreise entfernt. Es gibt hier keine Autobahnen und die Höchstgeschwindigkeit übersteigt kaum 50km/h. Apropo Verkehr: das mit dem Überwinden einer Straße in der Großstadt hatten wir ja schon – nicht stehen bleiben. Hier draußen ist es ähnlich: überholen am Berg vor der Kurve ist normal, kurzes Hupen – läuft…Und wenn zwischen LKW, Bus und Fahrrad noch eine Flasche Wasser passt – dann ist es ausreichend. Und wenn den über die Strasse trottenden Wasserbüffel das Fell ein bisschen im Vorbeifahren weht– passt es grad…

Was mittlerweile vor uns liegt – ist ein kleines Dorf und ein kleiner Abenteuertrip. An drei verschiedenen Stellen steigen wir in 2er-Gruppen aus und erkunden das zuvor Gelernte über Vietnam und seine Kultur, die Kontaktaufnahme und das fotografische Erarbeiten seines Themas. Auf eigene Faust in einem festgesteckten Zeitfenster. Ohne die Unterstützung von Steffen oder Heiko und Ly. Angewiesen auf uns selbst, unsere Fähigkeiten mit Händen, Füssen und einem Lächeln zu kommunizieren und das zur Mittagszeit bei ca. 35 Grad samt der nötigen Aufregung. Jeder von uns hat jetzt so etwas wie eine kleine Feuerprobe zu bestehen. Meine persönliche Feuerproben bestehen darin, in die Häuser zu gelangen – denn ich befasse mich mit dem Thema „Schlaf“ – um genauer zu sein: mit Schlafräumen. Diese sind sehr unterschiedlich und abweichend von unseren europäischen Gewohnheiten, wie man den beigefügten Bildern entnehmen kann.

Um es vorweg zu nehmen – alle unsere Feuerproben gelingen. Die Dorfbewohner sind aufgeschlossen, stolz und freuen sich über den Besuch. Sie laden uns in ihre Hütten ein. Die Männer bieten uns Tee an, die Frauen schlüpfen geschwind in ihre hübschen Kleider. Langnasen in dieser Gegend – ihr erinnert euch an die Eingangsbemerkung? Es ist ein Lachen und Staunen und Mischmasch an Sprachen in der Luft,  unsere Geschenke werden verteilt und Bilder ausgedruckt auf kleinen mobilen Geräten. Das Lustige ist, dass wir aber auch in unserer Gruppe nicht nur große Männer, sondern auch große Frauen dabei haben und sogar blonde Haare, die hier eine Kontaktaufnahme eher erleichtern. Was dazu führt, dass wir berührt werden und es ist nicht einmal unangenehm. Die Kinder üben ein vorsichtiges „thank you“ an uns aus und die winkenden Verabschiedungen werden mit Verbeugungen, glänzenden Augen und einem „Bye bye“ begleitet.

Klar, dass wir voller Adrenalin und Aufregung und Stolz in unseren kleinen Tourbus steigen und auch verwundert sind, wie stolz diese Menschen sind und wieviel sie mit uns teilen wollen, wo sie doch offensichtlich nicht soviel haben. Sie nehmen uns mit einer Herzlichkeit auf, die mehr als ansteckend ist. Ihr seht schon – wir lernen hier weitaus mehr als nur zu fotografieren. Mittendrin statt nur dabei – immer auf der Suche nach echtem Kontakt.

Wer jetzt denkt, dass der Tourblog an dieser Stelle endet, der darf einmal durchatmen und weiterlesen. Kleiner Szenenwechsel.

Gestern abend hieß es: packt bitte Sonnenschutzmittel ein, feste Schuhe mit Profil, Wechselshirts, eine dünne Jacke und eine Kopf- oder Taschenlampe. Weiter geht es in Richtung Dschungel, die Wege werden steiniger und mittendrin müssen wir sogar aussteigen, damit wir über eine kleine Hängebrücke fahren können, die über einen Fluss führt, in welchem Wasserbüffel baden. Etliche Kilometer später wird klar, welche Überraschung da vor uns liegt. (An dieser Stelle mal wieder ein fettes Lob für die hervorragende Organisation und Betreuung). Ein kurzer, aber steiler Aufstieg bringt uns direkt in eine Höhle – bereit mit mehr als erfrischender Luft für Experimente mit Licht und Dunkelheit. Die Bilder sprechen für sich…

Und das ist der Vorteil, wenn man den Tag so früh beginnt wie heute. Es bleibt noch immer Zeit für den Sonnenuntergang, der hier gegen 18 Uhr beginnt und schnell in eine abkühlende Nacht hineingleitet. Da wir ja schon einen tollen Sonnenstart hatten, nutzen wir dieses goldene Licht für einen Marktbummel  – natürlich wieder auf eigene Faust.

Fotografen werden nicht müde, wenn sie im Bilderfieber sind. Sie haben auch keinen Hunger – bis sie am Tisch sitzen.  Die Stäbchen gezückt – diesmal aber für lẩu thập cẩm. Eine mobile Heizplatte mit einer verführerisch leckeren Suppe, irre vielen Kräutern, Fleisch, Tofu und Fisch. Stäbchen schnappen, Teilchen schnappen und ab in die Brühe – ähnlich wie bei unserem Fondue. Nur viel köstlicher und mit schnellen Handgriffen auf den Tisch gezaubert. In keiner Küche mussten wir bisher länger als 10 Minuten auf unser Essen warten. Die Gerichte in dieser Gegend sehen einfacher aus, behalten aber weiterhin ihre Herzhaftigkeit und Raffinesse.

Satt, überglücklich und mit vollen Speicherkarten geht es hinein in die nächste kurze Nacht.

Mit dem Gefühl, dass Steffen ein gutes Händchen hatte bei der Auswahl unserer Gruppe. Wir lachen viel und alle sind getragen von Neugier und der Lust auf Ausprobieren. Auch wenn manchmal nicht immer das dabei herauskommt, was man sich gerade wünscht – dann probiert man halt weiter aus. Es ist, als wären wir schon Wochen und nicht erst ein paar Tage unterwegs. Mit viel Ehrlichkeit und Offenheit werden auch mal nicht so angenehme Themen besprochen und das Tolle ist auch: jeder lässt sich drauf ein. Nicht einmal über komische Toiletten oder unbekannte Speisen wird gewettert – es ist einfach ein „Leben im Geben“…

Bleibt gespannt, wohin uns Ly, Heiko und Steffen morgen bringen werden, wenn es wieder heißt: Abenteuer Vietnam.

Text und Fotos: Kerstin Petermann http://www.kerstin-petermann.de

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(Foto: Jennifer Kipke)AbenteuerVietnam Tourblog (11 von 12) AbenteuerVietnam Tourblog (12 von 12)

(Höhlenfotos: Jürgen Bode)

2 Responses

  1. Liebe Kerstin,
    dein Text hat mich sehr berührt. Du hast es geschafft, dass ich das Gefühl hatte dabei zu sein. Deine Fotos haben ihren Teil dazu beigetragen. Großartig!!!!!!! Und vielen Dank dafür.
    Liebe Grüße, Kathrin

  2. Liebe Kerstin,
    ich beneide Dich gerade sehr um die Erfahrungen, die Du im Moment sammeln darfst. Dein Text und die Fotos vermitteln dies auf schöne Weise und erinnern mich dabei auch immer wieder an den Nordthailand-Trip, den ich letztes Jahr unternommen habe. Ich bin schon sehr auf die nächsten Bilder gespannt!
    Viele Grüße,
    Klaus